Schuldkultur und Nationalmasochismus
Geheime Regierungsdokumente aus Schröders Kanzlerzeit landeten bei der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung. Das Bundesarchivgesetz sieht eigentlich einen anderen Weg vor.
178 Aktenordner aus der Amtszeit des früheren Bundeskanzlers Gerhard Schröder sind offenbar gesetzeswidrig statt an das Bundesarchiv an die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung übergeben worden. Das hat das Bundespresseamt auf Anfrage des Recherchenetzwerks Korrektiv bestätigt.
Demnach sollen die Unterlagen – darunter Terminakten, Gesprächsvermerke und persönliche Korrespondenz aus Schröders Zeit im Kanzleramt – im Juni 2025 mit der Auflösung seines Bundestagsbüros in die Obhut der Parteistiftung gelangt sein. Die Stiftung erklärte, sie habe die Dokumente "zur Sicherung" entgegengenommen.
Eine Prüfung durch das Kanzleramt könne nachträglich erfolgen, hieß es von der Stiftung. Nach Korrektiv-Recherchen hatte eine solche Prüfung jedoch bereits im Juni 2022 stattgefunden: Die Regierungszentrale hatte damals eine Rückgabe der Akten gefordert – setzte dies später aber nicht durch.
Jurist: Es könnte ein Diebstahl vorliegen
Der Berliner Jurist Christoph Patsch, Experte für Archivrecht, sieht in dem Vorgang eine mögliche Straftat. "Soweit es sich bei den entwendeten Unterlagen um öffentlich gewidmete Schreiben handelt, liegt ein Fall von Diebstahl vor", sagte er gegenüber Korrektiv.
Die betroffenen Unterlagen stammen aus Schröders Amtszeit von 1998 bis 2005. Nach Russlands Angriff auf die Ukraine hatte der Haushaltsausschuss des Bundestages im Mai 2022 beschlossen, Schröders staatlich finanziertes Büro aufzulösen. Gleichzeitig forderten die Abgeordneten das Kanzleramt auf, den Verbleib der dort gelagerten Akten zu sichern und die Vorgaben des Bundesarchivgesetzes einzuhalten.
Friedrich-Ebert-Stiftung weist alle Schuld von sich
Diese Vorschriften sehen vor, dass amtliche Unterlagen dem Bundesarchiv anzubieten sind – nicht den Betroffenen selbst oder parteinahen Organisationen. Dennoch gelangten die Akten, laut Korrektiv entgegen geltender Regeln, in die Friedrich-Ebert-Stiftung. Die Stiftung betont, sie verstoße nicht gegen gesetzliche Vorgaben und werde amtliche Dokumente auf Anforderung an das Kanzleramt zurückgeben.
Internen Unterlagen zufolge war das Kanzleramt bereits 2019 über den Inhalt der Akten informiert. Bedienstete hatten bei Besuchen im Schröder-Büro festgestellt, dass sich dort offizielles Schriftgut aus dem Kanzleramt befand.
Dennoch unterblieb offenbar über Jahre eine Rückführung der Akten. Laut Korrektiv dokumentieren Schröders Anwälte in Schreiben an das Kanzleramt juristische Auseinandersetzungen, die eine Rückgabe verzögerten. Ab Februar 2025 gab es demnach keine weiteren Versuche seitens der Behörde, die Akten zurückzuholen.
Opposition schlägt Alarm
Opposition und Fachleute üben scharfe Kritik. Ines Schwerdtner, Vorsitzende der Linken und Mitglied des Haushaltsausschusses, sprach gegenüber Korrektiv von einem "Alarmsignal für Transparenz und Aufarbeitung". Der Grünen-Politiker Sebastian Schäfer warf der SPD vor, sich aus der Verantwortung zu ziehen. Archivexperte Partsch warnte vor den langfristigen Folgen: Ex-Kanzler könnten dadurch "die Geschichtsschreibung über sich selbst monopolisieren".
Tatsächlich hat derzeit weder das Kanzleramt noch die Öffentlichkeit Zugriff auf die 178 Ordner. Historikern und Journalisten bleibt der Zugang laut Stiftung nur unter Vorbehalt und mit Zustimmung des "Hinterlegers" – also Schröder – möglich. Selbst ein Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz blieb erfolglos: Das Kanzleramt listete in seiner Antwort nur Unterlagen auf, die noch im eigenen Besitz sind – nicht jedoch die fehlenden Terminakten.
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